Katharina Peters: Hafenmord

Wer ist Täter, wer Opfer?

Hafenmord von Katharina Peters aus dem Jahr 2012 ist der erste Band einer Reihe um die Ermittlerin Romy Beccare und ihr Team, die zusammen auf Rügen tätig sind. Inzwischen sind insgesamt vier Bände erschienen, alle mit ähnlichen Einwort-Titeln und hohem Wiedererkennungswert.

Zuerst war ich skeptisch, ob ein Krimi mit nur 230 Seiten eine komplexe Handlung und eine gute Ausarbeitung der Charaktere erlaubt, aber diese Sorge war unbegründet und ich habe es sogar genossen, einmal keinen 400- oder 500-Seiten-Wälzer vor mir zu haben.

Romy Beccare, junge Münchnerin mit italienischem Vater, ist der Liebe wegen nach Rügen gekommen, hat aber ihren Partner vor kurzem durch Herztod beim Sport verloren und kämpft mit den Schatten der Vergangenheit. Deshalb kommt ihr der neue Fall nicht ungelegen, auch wenn sie im beschaulichen Rügen kaum mit solchen Gewaltdelikten gerechnet hatte. Kurz vor Beginn der Urlaubssaison wird in einem nicht mehr genutzten Gebäude einer Fischfabrik im Sassnitzer Stadthafen der smarte, erfolgreiche Geschäftsmann Kai Richardt tot aufgefunden. Er wurde schwer misshandelt und schließlich mit einem Schlag auf den Kopf getötet.

Was zunächst wie ein normaler Mordfall aussieht, dessen Auflösung man als Leser durch den Prolog bereits zu kennen glaubt, entpuppt sich nach dem Fund eines Skeletts einer jungen Frau in unmittelbarer Nähe der Leiche als Fall mit weitaus größerer Tragweite: „Sie [Romy] hatte noch nie mit einem Fall zu tun gehabt, der gleich drei weitere, über gut anderthalb Jahrzehnte verteilte Verbrechen hinter sich herzog, geschweige denn als leitende und damit verantwortliche Ermittlerin.“

Schnell stellt sich die Frage nach der Rolle von Täter und Opfer. Denn war Kai Richardt tatsächlich der nette Familienvater und erfolgreiche Unternehmer, als der sich stets präsentierte?

Intelligent, schlüssig und schnörkellos erzählt Katharina Peters einen bis zur letzten Seite spannenden Krimi mit einer überraschenden Auflösung. Dabei nimmt sie sich nicht nur Zeit für die Krimihandlung, sondern verleiht ihren Ermittlern ein Eigenleben. Sehr gut gefallen hat  mir außerdem die Schilderung der Zusammenarbeit im Ermittlerteam, wo sich sehr unterschiedliche Typen ausgezeichnet ergänzen und respektieren. Auch der Rückblick in die Enteignungspraxis der DDR und die fragwürdige Praxis im Umgang mit ehemaligem Privateigentum in der Nach-Wendezeit fand ich ausgesprochen interessant. Und nicht zuletzt hat mir gut gefallen, dass man zwar ab und an etwas über Rügen erfährt, es aber trotzdem kein typischer Regionalkrimi ist, bei dem sich Autoren oft laut Definition des WDR mit viel Lokalkolorit und der korrekten Beschreibung jedes Baums und jeder Weggabelung über mangelndes Schreibvermögen hinwegmogeln. Das hat Katharina Peters definitiv nicht nötig!

Katharina Peters: Hafenmord. Aufbau 2012
www.aufbau-verlag.de

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